Total verrückt, oder doch einfach mutig? Ich weiss es nicht. Auf alle Fälle habe ich es getan. Ich bin mit Odin ganz alleine von Fairbanks 495 Meilen (796 km) durch die Wildnis in den Norden nach Deadhorse gefahren. Mein Ziel war es, meine Füsse im Arktischen Meer zu baden. So nahm ein weiteres Abenteuer seinen Lauf…
Die Zeit der Vorbereitung
Der Dalton Highway ist schmal, hat weiche Schultern, hohe Böschungen und steile Hügel. Es gibt weite Strecken, die nur mit Kies bedeckt sind. Man muss jederzeit mit scharfen Steinen, Schlaglöchern, weggeschwemmten Strassenabschnitten, und je nach Wetter, mit viel Staub oder rutschigem Schlamm rechnen. Kurven können auf losem Schotter sehr gefährlich sein. Nördlich von Coldfoot ist ganzjährig das Vorhandensein von Schnee und Eis möglich. Es gibt keine medizinischen Versorgung, sowie keinen Handy-Empfang und auch keine öffentliche Internetverbindung zwischen Fairbanks und Deadhorse. Lebensmittel, Benzin und Fahrzeug Reparaturservice sind äusserst begrenzt.
In etwa so steht es in der Informationsbroschüre des „Bureau of Land Management“ geschrieben. Ausserdem werden als weitere Gefahren extreme Wetterbedingungen (Fluten, Temperaturen unter dem Gefrierpunkt), unkontrollierbare Waldbrände, Wildtiere (Elche, Moschusochsen, Bären, Wölfe, etc.) und die gigantischen Trucks (mit denen man sich die Strasse teilt), erwähnt.
Alles in Allem sind das wohl genügend Gründe, um es nicht zu tun. Schon gar nicht alleine als Frau, die keine Ahnung von Autos hat und ihre Angst vor dem Autofahren noch immer nicht ganz überwinden konnte. Das zumindest sagte mir mein Kopf.
Mein Herz jedoch sah in dem ganzen Unterfangen die einmalige Möglichkeit, frei und unabhängig vom Rest der Welt, die totale Abgeschiedenheit in der aussergewöhnlichen Natur zu erleben und vielleicht Dinge zu finden, nach denen ich gar nicht gesucht hatte.
Und mein Bauch? Der konnte sich für lange Zeit nicht entscheiden und war vermutlich verantwortlich für meine Albträume von Autoreifen, die so dünn wie die eines Fahrrades waren oder von meiner plötzlichen Unsichtbarkeit auf dem Dalton Highway. Doch meine Entscheidung es zu tun und das ganz alleine, hatte ich sowieso schon längst getroffen.
Und plötzlich fühlte sich der Gedanke, den Dalton Highway zu befahren, gut an. Meine Ängste rückten in den Hintergrund und ich konzentrierte mich darauf, mich so gut wie möglich vorzubereiten.

Es war soweit
Zu meiner Vorbereitung gehörte als wichtigster Punkt mein Fahrtraining. Ganz nach dem Motto „Learning by Doing“, bin ich deshalb von Kalifornien bis nach Alaska gefahren. In Fairbanks angekommen, brachte ich Odin in die Garage, um einen Ölwechsel vornehmen und ihn vom Motor bis zu den Rädern durchchecken zu lassen. Ein weiterer wichtige Punkt war, mich ausreichend über den Dalton Highway zu informieren. Wo schlafe ich und wo bekomme ich Benzin, waren dabei die zentralen Fragen. Die Antworten lieferte die obig erwähnte Broschüre des BLM. Schliesslich kaufte ich genügend Essensvorräte und Wasser ein. Dann musste ich nur noch ein Hotelzimmer und den Shuttlebus zum Arktischen Meer (mit einem privaten Fahrzeug kann man nicht zum Meer fahren, da man ein Ölfeld überqueren muss) buchen. Eigentlich wurde vom BLM empfohlen, 2 Ersatzreifen und einen Kanister mit Benzin dabei zu haben. Ich wagte es jedoch mit nur einem Ersatzreifen und ohne einem zusätzlichen Benzinkanister.
Und endlich ging es los
Wenn man so lange etwas im Kopf hatte und dann kurz davor ist es zu tun, dann möchte man einfach, dass es so schnell wie möglich los geht. So stieg ich früh morgens am Tag X in mein Auto und fuhr los.
Meine Anspannung und Nervosität legten sich, sobald ich Fairbanks hinter mir gelassen hatte. Strahlend blauer Himmel und Sonnenschein begleiteten mich den ersten Tag auf dem Dalton Highway. Abgesehen von den Schlaglöchern erschien mir der Dalton Highway nicht so bedrohlich, wie vermutet. Es machte sogar Spass, auf dem Dalton Highway zu fahren. Denn im ersten Teil der Strecke, gab es viele Hügel, die man hoch und wieder runter fahren musste. Manchmal fühlte es sich schon fast wie auf der Achterbahn an.

Willkommen auf dem Dalton Highway
Nach 56 Meilen auf dem Dalton Highway erreichte ich eines meiner ersten Ziele, den Yukon River. Sobald man den Fluss überquert hat, kommt man zur „Ortschaft“ (eine Tankstelle mit Restaurant und sonst nichts) Yukon Crossing. Und dort machte ich dass, was hier alle tuen, nämlich tanken. Die Benzinpreise sind hier wohl so hoch, wie kaum an einem anderen Ort in Nordamerika. Ich bezahlte über 5 Dollar pro Gallone.
Ich sass schon im Auto, da rannte ein in Motorradmontur gekleideter Inder winkend in die Richtung meines Autos. Es stellte sich heraus, dass Solomon, so heisst der Inder, mein kalifornisches Nummernschild gesehen hatte und nun unbedingt heraus finden wollte, was dass den für eine ist, die so ganz alleine von Kalifornien nach Deadhorse fährt. Er selbst kam mit seinem Motorrad von Las Vegas nach Alaska. So unterhielten wir uns eine Weile und er äusserte seine Bedenken darüber, mit seinem Motorrad auf der mit Schlaglöchern übersäten Schotterpiste weiter zu fahren. Ich sagte ihm dazu: „Jetzt bist du schon so nahe dran.“ Doch ich wollte ihn natürlich auch nicht drängen, da die Strasse für Motorradfahrer doch noch um einiges gefährlicher aussah als für mich als Autofahrer.
Schliesslich verabschiedeten wir uns und ich erwartete nicht, ihn noch einmal zu sehen.

Brücke über dem Yukon River
Mit vollem Tank führte ich meine Reise in Richtung Norden fort. Ich liess die wunderschöne Landschaft des „Finger Mountain“ an mir vorbei ziehen und freute mich auf den „Arctic Circle“, den ich bald erreichen würde.

Landschaft entlang des Dalton Highway
Auf der anderen Seite des „Arctic Circle“
Ehrlich gesagt würde man nicht bemerken, dass man den „Arktischen Zirkel“ überquert hat, wenn da nicht ein Hinweisschild stehen würde. Es ist ziemlich unspektakulär. In Mitten von Bäumen steht da einfach eine Tafel, die von den Besuchern fotografiert wird. Mir ist es auch jetzt noch ein Rätsel, wofür Touristen so viel Geld bezahlen, um sich während einer Tour zum „Arctic Circle“ diese Tafel an zu schauen. Doch natürlich musste auch ich ein Foto von dieser Tafel haben.

Ich und die Tafel des „Arctic Circle“
Der Unterschied zwischen innerhalb und ausserhalb des arktischen Zirkels wird einem erst dann bewusst, wenn man sich eine Weile darin aufhält. Es wird nämlich nie dunkel. Es kann 14 Uhr nachmittags sein, aber auch 2 Uhr morgens. Das Tageslicht ist immer da und bringt einem den Schlafrhythmus doch etwas durcheinander.
Nach dem obligatorischen Foto mit der „Arctic Circle“ Tafel, begab ich mich zum angrenzenden Campingplatz. Der Campingplatz bestand aus einigen Feuerstellen und einem Plumpsklo. Ich parkierte Odin zwischen den Bäumen und ging auf Erkundungstour. Ich schien die einzige Person weit und breit zu sein. Deshalb machte ich es mir mit meinem Buch gemütlich. Aber es war doch ein etwas komisches Gefühl, so ganz alleine Irgendwo in der Wildnis zu sein.

Erstes Nachtquartier
Schliesslich konnte ich mich dann aber doch an die neuen Umstände gewöhnen und bemerkte während dem Lesen nicht einmal, wie die Zeit verging. Ein Motorengeräusch liess mich schliesslich aufhorchen und zwei Motorradfahrer mit ihren Harley’s gesellten sich zu mir. Wir leisteten uns Gesellschaft und unterhielten uns den ganzen Abend. Ich war doch froh, nicht ganz alleine sein zu müssen.
Im Verlaufe des Tages war mir aufgefallen, das die Umgebung irgendwie von einem komischen Dunst eingeschleiert wurde, der sich zunehmend verdichtete. Die Motorradfahrer erklärten mir dann, dass das Rauch von einem Buschfeuer sei. Ich fragte die Motorradfahrere dann, ob das nicht gefährlich für uns sein könnte. Sie beruhigten mich und meinten mit einem Schmunzeln, ich würde bestimmt aus dem Schlaf erwachen, wenn es zu heiss wird und dass uns im Notfall bestimmt jemand retten würde.

Rauch, der sich zunehmend verdichtet
So legte ich mich hin und schlief. Mitten in der Nacht (es war aber taghell) erwachte ich im Halbschlaf und schaute aus dem Fenster. Keine Bäume und nichts um mich herum war mehr zu sehen. Wir waren komplett in weissen Rauch eingehüllt und es roch auch stark nach Rauch. Spätestens dann wäre ich vermutlich in Panik ausgebrochen, wenn ich nicht gewusst hätte, dass da irgendwo im Rauch noch die zwei Buschfeuer erprobte Motorradfahrer waren…
Der erste Tag war aufregend und ungewohnt. Wie es am nächsten Tag weiter ging, werde ich euch im zweiten Teil meiner Geschichte vom Dalton Highway erzählen.
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