Valparaiso, die Künstlerstadt schlechthin

Bunt, gemütlich und sonnig stellte ich mir Valparaiso vor. Vorstellung und Realität müssen sich bekanntlich nicht immer decken. So erging es mir zumindest in der chilenischen Hafenstadt Valparaiso. Dennoch hatte Valparaiso auch ihre Vorzüge zu bieten.

 

Kunterbunt oder doch eher Grau in Grau

Valparaiso ist für ihre farbigen Häuserfassaden und bunten Strassen bekannt. Viele Künstler zog es aus diesem Grund hierher. Die Porteños (so nennen sich die Einheimischen) sollen eine besondere Ausstrahlung haben und mit ihrer lebensfroher Art, den Zauber dieser Stadt unterstreichen.

Bei unserer Ankunft war von all dem auf den ersten Blick nicht viel zusehen. Der Himmel war mit grauen Wolken verhangen und es regnete immer wieder. „Der erste Regen in diesem Jahr.“, informierten uns die Einheimischen immer wieder. Die Geschäfte wurden mit Sägemehl eingedeckt, um das Regenwasser aufzusaugen. Alles schien etwas trostlos und heruntergekommen. In den Strassen roch es nach Urin und der Boden war mit Hundekot übersäht.

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Eine Regenpause in Valparaiso

Die Stadt zählt eigentlich nur rund 300’000 Einwohner. Durch die vielen Ruinen und leer stehenden Häuser wirkte sie aber wesentlich grösser, als sie es tatsächlich war. Auch soll die Stadt nicht ganz ungefährlich sein.  Es ist zu sagen, dass wir uns etwas im Stadtteil „vergriffen“ hatten und sich unsere Unterkunft nicht in den, durch die bunten Malereien bekannten Hügeln befand, sondern eher dort, wo man beklaut werden könnte. Deshalb hiess es für uns, gut auf unsere Sachen aufzupassen.

Es brauchte zwei Tage, bis ich mit der Stadt warm wurde. Wesentlich dazu bei trug eine Stadtführung.

 

Eine Stadtführung der besonderen Art

Sie nennen sich „Tours 4 Tips“ und kommen im rot-weiss gestreiften „Wo ist Walter“-Shirt daher. Sie sind Studenten, Künstler oder Lebemenschen, die sich auf diese Weise einen finanziellen Zustupf verdienen.

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Unterwegs mit „Tours 4 Tips“

Das Konzept von „Tour 4 Tips“ ist simpel. Porteños schaufeln sich etwas Zeit frei, um den Touristen ihre Stadt zu zeigen. Dabei erhalten die Touristen nebst den üblichen Informationen zur Stadt auch besondere Einblicke in das Leben der Einheimischen. Als Gegenleistung zahlen die Touristen den einheimischen Stadtführern ein Trinkgeld nach ihrem persönlichem Ermessen.

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In den Gassen von Valparaiso

So machte sich Carlos, ein waschechter Porteño und Musiker mit uns auf den Weg durch die Stadt. Zuerst nahmen wir einen Bus. Carlos erklärte, dass es in Valparaiso drei verschiedene Arten von Bussen gibt, nämlich die nicht so alten, die alten und die sehr alten Busse. Wir erwischten einen sehr alten, welcher aus restlichen Flugzeugteilen aus dem 2. Weltkrieg gebaut wurde.

Nach der Busfahrt durch die Stadt, ging es mit einem der typischen Seilbahnen in die Hügel der Stadt. Von dort oben führte uns Carlos durch die Stadt, während er uns die Geschichte von Valparaiso erzählte und über die kulturellen Gegebenheiten der Stadt sprach. Er führte uns durch die farbigen Gassen und an bemalten Hausfassaden vorbei. Er zeigte uns seine Lieblingsbilder und erläuterte einige Gemälde.

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Das Lieblingsbild von Carlos

Die Frage aller Fragen war für mich, wieso Valparaiso so bunt ist. Auch das konnte Carlos beantworten.

Valparaiso hat und hatte in der Vergangenheit ein grosses Problem. Die Häuser in der Stadt sind schlecht gebaut und die Stromleitungen sind nicht nur fürchterlich anzusehen, sondern wortwörtlich brandgefährlich. So brannten in der Geschichte von Valparaiso immer wieder ganze Stadtteile nieder und Leute standen auf der Strasse. Zurück blieb jeweils ein ziemlich düsteres Stadtbild. Die Menschen waren unzufrieden und viele mussten sich eine neue Bleibe suchen.

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Eine brandgefährliche Stromversorgung

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Eine weitere Brandruine

Die Porteños holten sich vom Hafen übrig gebliebenes Baumaterial, wie zum Beispiel Wellblech und Farbe. Damit bauten sie neue Häuser oder reparierten ihre alten. Die auf das Wellblech scheinende Sonne war ziemlich unangenehm für die Augen und die Porteños hatten das düstere Stadtbild satt. Deshalb kamen sie auf die Idee, mit übrig gebliebener Schiffs-Farbe vom Hafen ihre Häuser zu bemalen. So kamen die Farben in die Stadt. Und mit der Farbe kamen die Künstler.

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Überall Farbe

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Klaviertasten als Treppe

Das Bemalen der Häuser und Strassen wurde zur Tradition, welche bis heute fest in Valparaiso verankert ist. Die Anwohner von Valparaiso bemalen ihre Häuser auch, um sich von „Schmierern“ zu schützen, welche sinnloses Zeug an die Häuser schreiben. Ihnen ist ein schönes Bild von einem richtigen Künstler lieber, als irgendwelches Gekrakel. Die verschiedenen Künstler respektieren einander und bemalen das Bild eines anderen normalerweise nicht. Leider habe ich dennoch schöne Bilder gesehen, welche mit der Spraydose oder Ähnlichem verunstaltet wurden.

 

 

Chilenische Küche zum selber ausprobieren

Eigentlich mag ich kochen nicht besonders. Doch in Valparaiso hatte es mich richtig gereizt, die chilenische Küche einmal selber auszuprobieren. Auch war dies ein super „Schlechtwetter- Programm“. So trafen wir uns mit Veronica. Sie bot chilenische Kochkurse an.

Zuerst machten wir drei uns auf den Weg zum Markt, um frische Zutaten zu holen. Es machte richtig Spass, die Zutaten direkt auf dem Markt so zu kaufen. Von der Muschel bis zur Karotte arbeiteten wir uns durch die Stände, bis wir alles beisammen hatten.

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Eine Katze in der Markthalle

Schliesslich ging es in der Küche ans Eingemachte.

Zuerst bereiteten wir das „Pebre“ zu. Es ist eine typisch chilenischer Apero, besehend aus fein gewürfelten Tomaten, Zwibeln und Koriander. Diese Zutaten werden zusammen mit Brot gegessen. Zum Apero dazu gehörte ein landestypischer „Pisco Sour“ Ein Pisco Sour wird mit Zuckersirup, Zitronensaft und Traubenschnaps zubereitet.

Zur Vorspeise gab es „Empanadas“. Empanadas sind sogenannte Teigtaschen, die mit diversen Zutaten gefüllt werden können. Wir füllten unsere Empanadas mit Hackfleisch, Oliven und Rosinen.

Wir kamen in den Genuss einer zweiten Vorspeisen. Es waren mit Parmesan und Weisswein gebackene Muscheln. Diese Kombination war mein persönliches Highlight. „Macha a la Parmesana“ nannte sich diese Kombination. Es war echt lecker!

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Ich am Muscheln zubereiten

Zur Hauptspeise gab es eine Art Eintopf. Kartoffeln, Kürbis, Karotten, Pepperoni, Bohnen, Zwiebeln und Mais wurden zusammen mit Rindfleisch im Salzwasser gekocht und anschliessend so serviert. Diese Speise hiess „Cazuela de Vacuno“.

Und zum Dessert bereiteten wir „Alfajores“ zu. Das sind zwei Kekse, die die in der Mitte Dulche de Leche (Caramel) enthalten.

So verbrachten wir einen wunderbaren Nachmittag und Abend zusammen beim Kochen. Es war interessant, etwas Neues zu lernen und aus zu probieren. Das Essen schmeckte mir sehr gut und ich war doch erstaunt, dass ich mich als Koch gar nicht so schlecht machte. Wir haben soviel gegessen wie wir konnten und hatten Spass zusammen. Veronica, eine Kanadierin, erzählte uns ihre Geschichte, wie sie in Valparaiso gestrandet und hängen geblieben war.

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Auch Seline schien es zu schmecken

 

Nach der ersten Ernüchterung konnte ich zum Glück doch noch schöne Seiten an Valparaiso entdecken. Valparaiso zeigte mir, dass es nie gut ist, mit grossen Erwartungen an einen Ort zu reisen. Viel besser ist es, sich auf den Ort einzulassen so wie er ist. Neues auszuprobieren schadet dabei nie.

Ein Gedanke zu “Valparaiso, die Künstlerstadt schlechthin

  1. Reto Bollhalder

    Da lernen wir ja ganz neue Seiten von Dir kennen. Ich freue mich darauf, wenn Du zum ersten Mal für mich so feine Sachen kochst.
    Gruss – Pa

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